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BDK-Chef befürchtet "Desaster" für Sicherheitsbehörden im Fall Amri
GDN -
Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, befürchtet, dass der Fall des Berliner Terrorverdächtigen Anis Amri zum "Desaster" für die Sicherheitsbehörden wird. Grundsätzlich habe der Anschlag in Berlin und der Umgang der Behörden mit der Person des Tunesiers das Potenzial, "sich zu einem Desaster für die Sicherheitsbehörden von der Qualität des Nichterkennens der NSU-Terrorzelle zu entwickeln", sagte Schulz der "Welt" (Donnerstag).
"Mit einiger Sicherheit wird es mindestens einen Untersuchungsausschuss geben, der sich genau mit dieser Fragestellung beschäftigen wird", sagte Schulz weiter. Spätestens seit dem Wegfall der Binnengrenzen im Schengen-Raum der EU hätten die Sicherheitsbehörden "in Teilen einen Kontrollverlust erlitten". Schulz betonte, die Behörden wüssten seit Jahren nicht mehr, wer genau nach Deutschland und Europa komme und was die Personen machen würden. "Gerade durch die hohe Zuwanderung in den letzten Jahren haben wir gesehen, dass viele sicherheitspolitische Maßnahmen nur auf dem Papier existieren und in der Praxis versagen", so Schulz weiter. Auch der Schutz der europäischen Außengrenzen funktioniere derzeit nur in der Theorie. "Durch die Flucht von Anis Amri haben wir gesehen, dass sogar ein bewaffneter Terrorverdächtiger, nach dem gezielt gefahndet wird, relativ frei durch halb Europa reisen kann, ohne dass er irgendwo aufgehalten wird. Die Kontrolle in Italien war reiner Zufall", sagte Schulz. Der "Knackpunkt" bei Ermittlungen gegen Tatverdächtige und Gefährder sei ihre Kommunikation. "Es gibt in technischer und rechtlicher Hinsicht blinde Flecken in Deutschland. Deshalb kann man diesen Personenkreis nicht überwachen. Ohne die Speicherung von Telekommunikationsdaten auf Vorrat sind Ermittler vielfach blind. Dann haben sie schlicht keinen Zugriff", erklärte Schulz. Neben der Vorratsdatenspeicherung forderte der BDK-Chef auch den Einsatz von mehr elektronischen Fußfesseln, um Gefährder besser kontrollieren zu können: "Damit lässt sich ein Bewegungsradius relativ konkret begrenzen." Ein hundertprozentiger Schutz könne so aber auch nicht gewährleistet werden. Angesichts des Berliner Terroranschlags kritisierte Schulz den rot-rot-grünen Berliner Senat wegen mangelnder Videoüberwachung. "Die Ausweitung der Videoüberwachung des öffentlichen Raums zur Gefahrenabwehr ist grundsätzlich heute schon möglich, wenn es der Berliner Senat denn wollen würde", sagte Schulz der Zeitung. Die Regierung in Berlin wäre "klug beraten", die positiven Erfahrungen aus der Praxis in anderen Ländern zu betrachten. "Die Kameras sind oftmals die einzigen Zeugen. Damit hat die Überwachung auch einen präventiven Charakter, auch bei terroristischen Anschlägen", betonte Schulz.
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